Die erfolgreiche Kastrationsaktion, die wir im  ergangenen Jahr in Semei (Kasachstan) durchgeführt haben, hatte sich in Kasachstan und umliegenden Ländern ganz offensichtlich herumgesprochen. So wurden wir bereits im Anfang dieses Jahres gebeten, doch bitte einem Tierheim in Taras (Südkasachstan) eine Aktion durchzuführen. Nahezu gleichzeitig erhielt die Brigitte Bardot Stiftung eine Anfrage aus Taschkent in Usbekistan, welches nah an der Grenze zu Kasachstan liegt, auch hier in einem sehr großen Tierheim aktiv zu werden. Und so fragte die Brigitte Bardot Stiftung, ob wir gewilt wären, beide Aktionen durchzuführen.



Wir waren (oder besser sind) begeistert, dass unsere Aktionen also nicht nur im Kaliningrad-Gebiet, wo wir ursprünglich begonnen haben, Früchte tragen.
Der gemeinsame Wille der Brigitte Bardot Stiftung und des TIERSCHUTZ ENTWICKLUNGSHILFE e.V. bewahrte uns jedoch nicht vor dem bürokratischen Akt, wie wir ihn vom vergangenen Jahr schon kannten, um Geld für die Aktionen von der Stiftung zu erhalten. Aber so sind nun einmal die Regeln.
Schließlich wurde uns für beide Aktionen ein kalkulierter Betrag überwiesen und die detaillierten Planungen konnten beginnen.

So haben wir im Oktober 2022 zwei große Kastrationsaktionen in Kasachstan und direkt im Anschluss in Usbekisten durchgeführt. Trotz vieler widriger Umstände sind wir mit der Aktion sehr zufrieden. Denn wir haben im Rahmen der beiden Aktionen in Summe 1.188 Hunde und Katzen kastriert.

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Aber erst einmal der Reihe nach:
Als erstes würden wir vom 12.10.2022 bis 16.10.2022 in Taras (Kasachstan) kastrieren, um direkt anschließend von dort aus nach Taschkent in Usbekistan zu fahren, und dort vom 19.10.2022 bis 25.10.2022 die Aktion fortzusetzen.
Die Anreise aller Teilnehmer erfolgte wie im vergangenen Jahr, je nachdem, woher man anreiste, per Bahn und per Flugzeug. – oder sogar mit dem eigenen Auto.



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Karte mit Routen der Teilnehmer nach Taras (Datenquelle Openstreetmaps.org) 


Name Aufgaben Anreise
Alena Kurochkina Helferin Kaliningrad, Smolensk, Saratov, Taras
Anna Vlasenko Ärztin Viborg
Anton Sorin Arzt Semei
Arina Petruschenko Narkose Kaliningrad
Christina Pöschel Helferin Insel Rügen, Minsk, Moskau, Taras
Darja Kononenko Ärztin St. Petersburg, Moskau, Taschkent
Daria Zemtsova Ärztin St. Petersburg, Moskau, Taschkent
Karl Sewastjaniuk Arzt Stockach
Katharina Pestrijakova Helfer Saratov
Katja Funke Cheffin Alfeld, Minsk, Smolensk, Moskau, Taras
Kseniia Denisova Narkose St. Petersburg, Moskau, Taschkent
Lubov Rudenko   Semei
Nastasja Gljadenzeva Aufwach Semei
Nastasja Leys Ärztzin Semei
Nastasja Rogova Ärztin Kaliningrad, Moskau, Taras
Mariia Tabeva Ärztin St. Petersburg,Moskau, Taschkent
Marina Kim Ärztin Almaty
Marina Lugovaja   Kaliningrad, Moskau, Taras
Michael Meier Helfer Alfeld, Hannover, Istanbul, Taras
Milena Asarova Ärztin Kaliningrad, Moskau, Taras
Olga Ksenz Ärztin Kaliningrad, Moskau, Taras
Pavel Michailov Helfer Kaliningrad
Serik Tlenbay Arzt Semei
Uri Archipov Narkose Minsk, Smolensk
Valeriia Filatova Ärztin St. Petersburg, Moskau, Taschkent
Wilhelm Funke Helfer Alfeld, Hannover, Istanbul, Taras
Yandos Almerekov Arzt Semei
Ylia Mane Ärztin Viborg
Yulia Helferin Almaty


Anmerkung: am Ende des Berichts finden Sie die Fotos


Katja würde die ganze Strecke mit unserem VW Crafter fahren und startete am 06.10. ab Alfeld. Auf dem Weg dahin traf sie sich bei Frankfurt/Oder an einem Autohof mit Christina, die aus Rügen angereist war. Die beiden fuhren gemeinsam durch Polen und Belarussia, um Aljona, Ekaterina, Yuri und Pascha in der russischen Föderation in Saratow abzuholen. Jedoch wurden Katja und Christina kurz vor dem Grenzübergang in die russische Föderation noch in Belarus angehalten und man teilte ihnen mit, dass für Ausländer der internationale Grenzübergang gesperrt sei (politische Situation Russland/Ukraine). Ihnen blieb nichts übrig, als 400 km bis zum Flughafen nach Minsk zurückzufahren, wo sie für Christina einen Flug nach Moskau buchten. Katja wollte sie dann – zusammen mit den anderen – viele Stunden später am Flughafen in Moskau bei KFC abholen. So fuhr Katja also bereits in Belarus etwa die doppelte Strecke.

Zum detaillierten Bericht geht es hier ->

Michael und Wilhelm hatten viele Wochen zuvor einen günstigen Flug nach Shimkent in Kasachstan gebucht. Das war geschehen, bevor die Aktion dann um ca. drei Tage „nach hinten“ verlegt wurde. Sie hatten einen zweitägigen Aufenthalt in Shimkent geplant, woraus nun eher fünf Tage wurden. Es bot sich an, ggf. eher als die anderen mit einem Taxi für etwa 60,00 Euro in das ca. 180 km entfernte Taras zu fahren. Das Hotel erwies sich als günstig und dennoch als sehr gut. Doch anstatt das in vollen Zügen zu genießen, verdarb ihnen eine Begebenheit die Stimmung.
Wilhelms Bericht: "In der zweiten Nacht im Hotel wurden wir sehr nervös: Mitten in der Nacht klingelte in unserem Zimmer das Telefon und jemand redete russchisch, was ich aber nicht verstand. Ich ging davon aus, dass sich vielleicht der Weckservice in der Zimmernummer geirrt hatte. Aber am nächsten Tag hatte ich eine WhatsApp-Nachricht auf meinem Smartphone. Von Katjas Handy hatte ich eine Textnachricht in russischer Sprache erhalten. Dort stand lediglich, es sei ein russischer Offizier vom russischen Geheimdienst. Sonst nichts. Ich wusste also nicht, was diese Person überhaupt wollte und erst recht: Weshalb schreibt diese Person von Katjas Handy aus an mich??? Es machte sich eine leichte Panik breit. In der russischen Föderation müsste Katjas Handy funktionieren, weil sie dort eine entsprechende SIM-Karte hat. Aber in Belarus und dann später in Kasachstan hätten wir keine Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren. An der Rezeption nachgefragt, ob man mir sagen könne, wer bei uns auf dem Zimmer in der vergangenen Nacht angerufen hatte, erhielten wir eine keine wirkliche Antwort. Man wisse nicht, um wen es sich gehandelt habe. Aber das Gespräch musste ja über die Rezeption gegangen sein. Denn niemand kannte unsere Zimmernummer (außer das Hotel selbst). An der Rezeption sah man mich sehr besorgt an und fragte, ob ich wüsste, was das FSB bedeute (russischer Geheimdienst, Nachfolger des KGB) und ob das nicht vielleicht ein Scherz sei. Unsere Befürchtungen wurden nicht kleiner …"

Erst viele Stunden später meldete sich Katja dann endlich. Ja, ein zunächst sehr skeptischer Beamter, der dann aber doch sehr freundlich war und Katja und Christina geholfen hat, hatte wohl diese Nachricht geschrieben. Der eigentliche Hintergrund ist nach wie vor unklar. Vielleicht war das noch in dem Moment, als er den beiden gegenüber sehr misstrauisch war. Inzwischen hatte Katja also Christina zurück nach Minsk gebracht, die Grenze nach Russland überquert und Aljona, Ekaterina, Yuri und Pascha „aufgelesen“. Pascha übernahm das Steuer und alle zusammen waren nun unterwegs, um Christina vom Flughafen in Moskau Scheremetjewo abzuholen. Das, wie auch die weitere Reise mit dem Crafter nach Taras hat bis auf einen Zwischenfall problemlos geklappt.
Diesen kann man hier nachlesen ->

Die fünf fuhren ohne Übernachtung und sammelten unterwegs noch Ekatharina Pestriakova in Saratov ein. Pascha übernahm den größten Teil der Strecke und wechselte sich mit Katja und Christina ab. Wer von der Müdigkeit übermannt wurde, konnte sich im Heckbereich des Wagens auf einem beinahe komfortablen Bett ausruhen. Bereits Wochen zuvor hatte Pascha eine Schweißkonstruktion mit Holzbrett und Matratze eingebaut, was sich sehr gut zum Schlafen eignete, vor allem, wenn man nach eintönigen Stunden auf der nächtlichen Autobahn völlig erledigt war.
Michael und Wilhelm verbrachten zwei Tage in Shymkent und nahmen dann ein Taxi nach Taras zu dem Tierheim von Irina Keller. Wie der Nachname schon vermuten lässt, hat Irina deutsche Vorfahren. Sie selbst ist noch mit der deutschen Sprache aufgewachsen, hat sie jedoch im Laufe der Jahre völlig verlernt. Als Kind begann sie ab einem gewissen Alter ganz bewusst damit, alles Deutsche zu vernachlässigen, um den Grausamkeiten der anderen Kinder zu entgehen, die sie als Faschistin bezeichneten (heute würde man es Mobbing nennen).
In Irinas Tierheim wurden wir zunächst von Irina und mehreren Jugendlichen freundlich begrüßt. Mit der Verständigung ging leider ohne Google nichts (wir hatten Russisch für die Offline-Benutzung heruntergeladen). Aber auch das führte wegen falscher Übersetzungen doch zu viel Gelächter auf beiden Seiten.
Irina überließ uns zunächst der Obhut der jungen Leute. Die sahen uns mit großen Augen an und folgten uns buchstäblich auf Tritt und Schritt, erwartungsvoll die Augen auf uns gerichtet. Erst als wir ihnen mitteilen konnten, dass wir nicht die Ärzte waren (auf die sie so lange gewartet hatten, wie sie uns dann mitteilten), sondern lediglich Helfer bei der Aktion, wurden sie lockerer und baten uns in das Haus, um uns Tee anzubieten.
Michael und ich hatten geplant, uns in den Tagen, an denen wir auf den Rest der Truppe warteten, im Tierheim irgendwie nützlich zu machen (darauf hatte auch unsere erste Vorsitzende Katja gedrängt). Aber das scheiterte bereits daran, dass wir keinerlei Arbeitskleidung dabei hatten. Und es schien, als würden wir die jungen Helfer des Tierheims mehr von ihrer Arbeit abhalten, als sie zu unterstützen.
So verständigte sich Irina Keller mit einer Freundin in Taras. Die kam mit ihrem Mann zum außerhalb gelegenen Tierheim gefahren (ca. 30 Minuten Autofahrt). Mit den beiden klappte die Verständigung gut auf Englisch. Nachdem wir unsere Bedenken geäußert hatten, boten sie dann sogleich an, uns in Taras in einem einfachen, aber sauberen Hostel unterzubringen. Dies nahmen wir gern an und es fiel sofort eine gewisse Spannung von uns. Nun dauerte es also noch etwa drei Tage, bis die anderen eintreffen würden und die Aktion beginnen konnte.

Kasachstan:
Am 10.10.2022 trafen sich die Organisatoren, Ärzte und Helfer in dem gemieteten Haus in Taras. Wenn auch sehr einfach gehalten, war alles vorhanden, was man für einen Aufenthalt brauchte. Mit nur einer Toilette und einem Wannenbad, in dem zu allem Überfluss nur der Heißwasserhahn funktionierte, stellte sich die Situation zwar als ziemlich herausfordernd dar, doch niemand störte sich ernsthaft daran und machte ein Problem daraus. Da für die meisten unserer 23 Personen umfassenden Truppe keine Betten zur Verfügung standen, verteilten wir unsere mitgebrachten Isomatten oder Luftmatratzen samt Schlafsäcken in den Zimmern.

Das auf dem weitläufigen Gelände des Tierheims von Irina Keller aufgestellte große Militärzelt erwies sich für die Aktion als ungeeignet. Daher wurden zwei Container umfunktioniert. Ein Container wurde für die Vorbereitung der Tiere eingerichtet und in einem weiteren fanden die Operationen statt. Der Aufwachbereich wurde vor einem der Container eingerichtet. Da die Wetterprognose für die nächsten Tage angenehme Temperaturen und Sonne versprach, legten wir Paletten aus, die wir mit Decken polsterten und spannten ein Sonnensegel auf, um die Tiere vor der direkten Sonneneinstrahlung zu schützen.
   


Mehrere Jugendliche, die Irina Keller im Tierheim unterstützen fingen die Hunde ein und brachten sie zu Vorbereitung. Uns fiel auf, dass viele Tiere extrem mager wirkten. Vermutlich ist das Futter knapp. Dabei muss aber auch erwähnt werden, dass es der typische kasachische Windhund - wie so typisch - von Haus aus sehr mager ist.      



 

Insgesamt lief alles gut, so dass wir hier in den ersten zwei Tagen ca. 170 Hunde kastriert haben.



Für Tag drei bis fünf war geplant, die Kastrationsaktion direkt in der Stadt Taras fortzusetzen. Dorthin würden auch Tierbesitzer ihre Hunde und Katzen bringen. Katja hatte sich den entsprechenden Ort angesehen. Er war für unsere Aktion absolut nicht brauchbar. Dies hatte sie Irina gleich zu Beginn der Aktion in ihrem Tierheim gesagt. So konnte Irina die zwei Tage nutzen, um mit Hilfe der Stadtverwaltung eine andere Stelle zu finden – was auch sehr gut gelang.

Am dritten Tag in Taras fuhren wir zu dem Hundeplatz von …NAME. . Sie züchtet Schäferhunde und ist international im Hundesport als Richterin bekannt. Ihr Mann kaufte ihr vor Jahren das Grundstück im alten Ortskern, wo sich nun also der Sitz ihres Vereins und ein schöner Ausbildungsplatz befinden. Die überdachte Terrasse sollte für die nächsten Tage unser Freiluft-OP-Saal werden.



Es stellte sich heraus, dass die Werbung für unsere Aktion Früchte getragen hatte. Wir hatten befürchtet, dass das Verlegen der Aktion hierher dazu führen würde, dass die Menschen „uns nicht finden“. Aber davon konnte keine Rede sein.



Die Aktion fand auf einem überdachten, nach zwei Seiten offenen Platz statt. Um einen gewissen Sichtschutz zu gewähren, wurden Tarnnetze gespannt, die ihren Zweck wirklich gut erfüllten. Abends wurde jedoch das Licht etwas knapp. Daher kauften wir noch Kabel, Fassungen und Lampen, um in einer Reihenschaltung den OP-Bereich gut ausleuchten zu können.

Zu der Aktion kamen neben Tierbesitzern, die ihren Hund oder ihre Katze kastrieren lassen wollten, eine Delegation Veterinäre vom Veterinäramt Taras Gebiet, Studenten des Taras College, an dem auch Veterinärmedizin gelehrt wird und Reporter verschiedener Medien.
Auch hier hat alles gut funktioniert, sodass am Ende der Aktion in der Stadt Taras … ANZAHL. Hunde und … ANZAHL . Katzen kastriert werden konnten.
Noch am selben Abend des letzten Kastrationstages wurde alles geputzt, auf- und abgeräumt. Dinge, die uns Irina geborgt hatte, wurden auf einen LKW geladen, um zurück ins Tierheim gebracht zu werden. Alles andere musste in unserem Crafter Platz finden. Der war schließlich voll bis unters Dach, doch das viele Material würden wir bei der folgenden Aktion in Taschkent (Usbekistan) dringend benötigen.

Usbeskistan:
Die Reise war seit langem geplant. So waren wir auf einige Besonderheiten bereits vorbereitet, beispielsweise, dass bis auf den Fahrer alle Teilnehmer die Grenze von Kasachstan nach Usbekistan zu Fuß überqueren mussten.
Mit der Betreiberin es großen Tierheims in Taschkent, in dem die nächste Aktion stattfinden sollte, war für den Grenzübergang alles besprochen worden. Sie hatte uns versichert, alles sei bestens vorbereitet und keinerlei Probleme zu erwarten. Weit gefehlt.
Für die Fahrt von Taras in Kasachstan bis zur ca. 300 km entfernten Grenze nach Usbekistan hatten wir mehrere Großraumtaxen bestellt. Zwar kam darin die gesamte Mannschaft unter, aber für das Gepäck war kein Platz. Das luden alle Mitreisenden in unseren VW Crafter.
An der Grenze angekommen, stiegen also alle Teilnehmer - bis auf Pascha als Fahrer, Katja als Organisatorin der Aktion und Wilhelm als Eigentümer des Fahrzeugs - aus den Fahrzeugen aus und überquerten problemlos zu Fuss beide Grenzkontrollen (Ausreise Kasachstan und Einreise Usbekistan).
Die kasachische Grenzkontrolle stellte für uns mit dem beladenen VW Crafter ebenfalls keinerlei Problem dar. Komplizierter wurde es am usbekischen Grenzübergang. Während die Personenkontrolle noch problemlos verlief, wurde es am Zoll ziemlich ungemütlich. Wir mussten das gesamte Fahrzeug entladen, damit alles geröntgt werden konnte.

Wilhelm berichtet:
"Beim Röntgen wurden wir bei dem einen oder anderen Koffer oder Paket darauf hingewiesen, es an einen besonderen Platz zu stellen, da man es sich den Inhalt näher ansehen wollte. Der Mann an der Röntgenanlage spracht etwas deutsch und sagte immer mal wieder ein paar freundliche Worte. Nachdem alles geröntgt war, durften wir alles wieder einpacken. Ich fragte noch, ob er sich die etwas abseits gestellten Sachen nicht weiter ansehen wollte. Aber er sagte nur mit einem Lächeln: „Ende gut – alles gut!“ So packten wir denn alles wieder ein und fuhren los in dem sicheren Glauben, nun nur noch das letzte obligatorische Tor durchqueren zu müssen.
An dem Tor wurden wir aufgefordert, zur Seite zu fahren, um den nachfolgenden Fahrzeugen Platz zu machen - eine völlig ungewöhnliche Situation, denn normalerweise wird hier lediglich ein letztes Mal kontrolliert, ob auch exakt die Personen im Fahrzeug sitzen, die zuvor kontrolliert wurden (Namen, Papiere, Anzahl Personen).
Und so begann das eigentliche Problem.
Nachdem sich ca. 10 Minuten nichts tat, ging Pascha zum Tor, um mit den dortigen Zöllnern zu sprechen. Er kam ohne Erklärung zurück. Dann kann der freundliche Zöllner zum Tor, der all unsere Sachen geröntgt hatte. Diesmal ging ich zum Tor und fragte, ob es ein Problem gäbe. Der Zöllner sagte: „Es gibt kein Problem. Bitte warten Sie ein paar Minuten.“
Aus den Minuten wurden Stunden. Dann hieß es, wir könnten weiterfahren, nachdem wir den gesamten Inhalt des Autos im Zolllager abladen hätten. Bis jemand darüber entschieden hätte, würden die Dinge dort verbleiben. Das lehnten wir natürlich ohne jegliche Rechtssicherheit, unser Eigentum vollständig und zeitnah zurückzubekommen, ausdrücklich ab. Außerdem wollten wir am nächsten Tag bereits alles für die Operationen im Tierheim vorbereiten.
Nachdem Stunden vergangen waren, rief Katja Iroda – die Besitzerin des Tierheims – an. Sie hatte Katja zuvor versichert, dass sie alles für den reibungslosen Grenzübertritt vorbereiten würde. Iroda kam dann auch mit einer Frau von der Stadtverwaltung Taschkent und einigen anderen Personen, deren Funktion uns nicht bekannt war, zur Grenze. Wir standen uns – nur getrennt durch den Zaun – etwa in einem Meter Entfernung gegenüber. Iroda hatte einen ganzen Stapel Papiere, versehen mit vielen Unterschriften und Stempeln, dabei. Die Zöllner sahen sich das an und schüttelten jeweils nur mit dem Kopf. Dabei teilweise lächelnd. Für uns nicht wirklich interpretierbar.
Schließlich hieß es, der Hauptveterinär der Grenzstation sollte die Entscheidung treffen. Er kam dann auch. Eine große, stattliche Erscheinung mit tiefer Stimme. Auch er sah sich die Papiere an und verneinte. Ihm sei nicht klar, wozu wir überhaupt die Kastrationen durchführen wollten (dieses zeigt, wie wichtig eine Aufklärung im Vorfeld ist). Außerdem wisse er nicht, ob die Medikamente, die wir für die Kastrationen der Hunde und Katzen verwenden wollen, für diese überhaupt verträglich seien. Das müsse er erst überprüfen.
Katja versuchte, es ihm zu erklären. Unter anderem verwies sie darauf, dass wir nicht nach Usbekistan reisen würden, um dort Geschäfte zu machen, oder uns touristisch zu vergnügen, sondern um Hilfe zu leisten. Es sei traurig, dass man uns verdächtige, etwas Illegales vorzuhaben. Was die Kastrationen von Hunde und Katzen anging, seien wir keine Anfänger, sondern Spezialisten, die im Rahmen der Aktion ihr Wissen auch weitergeben möchten. So hätten wir im Rahmen unserer letztjährigen Kastrationsaktion im Semeii auch schon Veterinären aus Usbekistan geholfen. Nach diesen Worten ließ sich der Veterinär dann wenigstens dazu erweichen, dass unsere Mannschaft, die ja seit Stunden auf der anderen Seite des Zauns auf uns wartete, ihre persönlichen Sachen abholen dürften. Außerdem wurde uns zugesichert, unser Auto – ohne es zu entladen – im Grenzbereich stehenzulassen, um am nächsten Tag noch einmal in Ruhe über das Ganze zu sprechen.
Bezüglich der persönlichen Dinge unserer Mannschaft wurde das dann auch so gehandhabt. Alle überquerten abermals die Grenze, schnappten sich ihre Taschen und Rucksäcke. Dabei verschwand das eine oder andere Material, wie auch sämtliche OP-Bestecke, in dem persönlichen Gepäck. Unsere Leute gingen dann – ohne noch einmal kontrolliert zu werden – zurück nach Usbekistan.
Uns wurde jedoch mitgeteilt, dass man sich das nun doch anders überlegt habe. Wir sollten unser Fahrzeug nehmen und zurück nach Kasachstan gehen. PRIMA!! Jetzt hatte ich Sorge, dass nun vielleicht auch der kasachische Zoll Probleme wegen der „Einfuhr“ der Materialien machen würde. Allerdings gab es zuvor schon neuen Grund zur Aufregung. Wir hatten genau genommen die gesamte Zeit den Kontrollbereich des Usbekischen Zolls nicht verlassen. Trotzdem mussten wir die gesamte „Zeremonie“ noch einmal durchlaufen. Na ja: man bestand nicht darauf, unser Gepäck noch einmal zu röntgen. Zumindest dafür hatte der Veterinär gesorgt. Jedoch wurden wir mehr schikaniert, als bei der Einreise. Wir wurden zur Kontrolle an einen Schalter verwiesen. Nach 10 bis 20 Minuten hieß es dann, dass wir falsch seien und wir wurden an einen anderen Schalter geschickt. So ging das mehrere Male, bis mir der Geduldsfaden riss und ich mit der Faust auf einen neben mir stehenden Blechtisch schlug, ohne auf irgendwelche Umstände zu achten. Dabei wurde ich laut und gestikulierte mit den Händen, da ich wusste, dass man mein Deutsch eh nicht verstehen würde. Die Zöllner blieben davon – vielleicht auch zum Glück – völlig unbeeindruckt. Niemand schimpfte (und man nahm mich nicht fest (was laut Katja theoretisch möglich gewesen wäre)), sondern die Prozedur ging weiter, bis wir dann endlich am kasachischen Zoll zur erneuten Einreise standen.
Dem freundlichen kasachischen Zöllner erklärten wir die Situation und wir mussten neben der üblichen Personenkontrolle lediglich einmal alle Türen des Fahrzeugs öffnen und durften dann einreisen.

Man hatte uns den Tipp gegeben, an einem etwas nördlich gelegenen Grenzübergang unser Glück zu versuchen. Dort hätten wir weitaus größere Chancen. Allerdings würden wir das dann ohne den Crafter versuchen. Dazu sollten all unsere Freunde, die ja bereits in ihrer Unterkunft in Taschkent waren, mit den Autos zurück zur Grenze fahren und abermals zu Fuß zu uns kommen, damit wir alles Material unter ihnen aufteilen und so über die Grenze bekommen könnten.
Na, mal sehen. Zunächst fuhren wir zurück bis zum ca. 110 km entfernten Shymkent, um dort zu übernachten. Dort kamen wir morgens um 04:20 Uhr an.

Auf dem Weg nach Shymkent hatte Katja Irina telefonisch von unserem Problem berichtet. Die wiederum setzte alles Mögliche in Gang, um einen Platz zu finden, wo wir den Crafter während unserer Zeit in Usbekistan sicher zurücklassen konnten. Die Hilfe fand sie bei …, die sich schon während unserer Zeit in Taras sehr um uns gekümmert hatte. Ein Freund von ihr ist Leiter einer Bank in Shymkent. Der sorgte dafür, dass wir auf dem abgeschlossenen Hinterhof der Bank unseren Crafter stehen lassen konnten.
Uns war bewusst, dass wir es auf keinen Fall schaffen würden, unser gesamtes Material zu Fuß über die Grenze zu bringen. So packten wir also nach ca. drei Stunden Schlaf den Wagen aus, um alles neu zu sortieren und zu möglichst platzsparend zu verpacken.
Anschließend packten wir unsere wichtigsten Sachen wieder in eines der Großraumtaxis, wie es unsere Mitstreiter bereits am Tag zuvor zur Grenze gebracht hatte. Ich war erstaunt über das Fassungsvermögen. Mit Geschick und etwas Druck hat alles hineingepasst. Also konnten wir starten, um endlich nach Usbekistan zu kommen.
Ca. 30 km vor dem Grenzübergang, den wir am Tag zuvor versucht hatten, mussten wir von der Hauptstraße abbiegen. Ich fragte mich, wie das jemals klappen sollte. Denn bereits an der Hauptstraße reihten sich wartende LKWs. Außerdem schien die Zufahrt nur einspurig zu sein. Uns kamen mehrere LKWs entgegen, sodass wir warten mussten. Es war für mich nicht nachvollziehbar, nach welcher Regel man hier Richtung Grenze fahren durfte, oder den entgegenkommenden Fahrzeugen die Vorfahrt ließ. Unser Taxifahrer hat es dann doch geschafft. Was zunächst nicht zu erkennen war: Das erste Grenztor liegt nur einige 100 Meter von der Hauptstraße entfernt. Jedoch wurde deutlich, dass dieser Grenzübergang wohl hauptsächlich von LKWs - also für Warentransport - genutzt wird. Ob das wirklich von Vorteil für uns sein sollte?
Wir luden das „Taxi“ aus und platzierten all unser „Gepäck“ am Blechzaun der Grenze. Ich hatte wieder meine Zweifel, wie wir das alles zu Fuß über die Grenze transportieren sollen. Katja hatte rechtzeitig „unsere Mannschaft“ in Taschkent angerufen, sodass bereits kurz nach unserer Ankunft zehn Personen durch das Zolltor zu uns kamen. Nach einer kurzen Begrüßung verteilten Katja und Pascha das Gepäck und die ersten von uns gingen bereits wieder Richtung Usbekistan. Ich muss gestehen: ich stand nur fasziniert daneben.
Es dauerte nicht lange und Anton – einer unserer jungen Tierärzte aus Semei – rief bei Katja an. Man hatte einige Flaschen Narkosemittel bei ihm gefunden. Und nun gäbe es Probleme. Kurz darauf erging es Anastasia – Dozentin an der Uni in Semei – ebenso. Wir beschlossen, alles zusammenzupacken und gemeinsam zum Zoll zu gehen. Dort versuchten wir – genau wie am Vortag – mit den Grenzbeamten zu sprechen und sie zu überzeugen, dass wir keinerlei böse Absichten haben und erklärten ihnen, dass wir nur wenige Tage zuvor eine gleiche Aktion in Taras durchgeführt hatten. Wir zeigten ihnen viele der Materialien und erläuterten, wozu wir sie brauchen. Aber selbst bei den Unterlagen wollten sie eine Art Ursprungszeugnis sehen und genau wissen, wo wir was zu welchem Preis eingekauft hätten. Ja, typische Grenzkontrolle für Warenverkehr.
Mich haben dabei die spöttischen Gesichter der Grenzbeamten aufgeregt. Ich hatte meinen Fotoapparat griffbereit und wollte auf dem Display Fotos der Aktion zeigen. Ich blätterte also in den Fotos, um etwas Überzeugendes herauszusuchen, als man mich energisch ansprach. Yuri Archipov gab mir zu verstehen, ich sollte sofort meinen Fotoapparat wegstecken. Fotografieren sei schließlich in diesem Bereich verboten. Ich lief langsam sauer: für keine Argumente empfänglich, sondern nur Spott in den Gesichtern; und dies im Zusammenhang mit dem Fotografierverbot? Man befindet sich in einem ganz normalen Raum, in dem ein Röntgengerät steht. Absolut nichts Außergewöhnliches, nichts was auch nur annähernd etwas Geheimes beinhalten könnte!!! Ich wurde inzwischen wirklich wütend und mir gingen langsam die Nerven durch. So trat ich mit Wucht gegen eine Tasche, von der ich wusste, dass sie nichts Zerbrechliches enthielt, sondern lediglich sterilen Unterlagen für die OP-Tische. Anschließend bat ich darum, zu übersetzen, dass man sich nun bitte innerhalb der nächsten zehn Minuten überlegen möge, ob man uns und unsere Hilfe in diesem gastlichen Land – so wie es die Werbung im Zollbereich verspricht – willkommen heißt, oder ob wir die 6.500 km vergeblich hierher gereist sind. Denn dann sähe ich keinerlei Anlass, noch irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen, hier irgendwelche Überzeugungsarbeit zu leisten. Selbstverständlich half das überhaupt nicht. Keine Reaktion. Wir beschlossen, unsere Sachen wieder einzusammeln und wieder zurück auf die kasachische Seite der Grenze zu gehen. Zumindest hatten es einige unserer Leute hatten mit Beuteln voller Material über die Grenze geschafft.
Übrigens hatte sich Iroda vom Tierheim Hiajot diesmal nicht blicken lassen.
Katja bat mich, mit den anderen nach Taschkent zu gehen. Karl Sewastianiuk, ein Tierarzt aus Stockach am Bodensee, war erst am Tag zuvor direkt nach Taschkent geflogen, da er an der Aktion in Kasachstan aus Zeitgründen nicht teilnehmen konnte. Es war Katja wichtig, dass ich ihm die Problematik erkläre und keine Missverständnisse aufgrund von Übersetzungsfehlern aufträten. Katja würde mit Pascha wieder zurückfahren und sich etwas überlegen. Unsere Stimmung sackte nach der so tollen Aktion in Taras in den Keller.
Katja hatte Iroda gebeten, für unsere Gruppe eine günstige Unterkunft zu finden. In der Regel ist es dabei günstiger, für alle ein Haus zu mieten, als alle auf mehrere Wohnungen oder Hotelzimmer zu verteilen. So hatten wir es zuvor auch in Taras gehandhabt. Als wir in unserer Bleibe ankamen, schliefen sie meisten von denen, die nicht mit zur Grenze gekommen waren. So würde ich also ausschlafen und am anderen Tag berichten.
Unsere neue Bleibe erwies sich als viel luxuriöser, als das Haus, das wir zuvor bewohnt hatten. Dennoch mussten die meisten auf Matratzen auf dem Boden schlafen. Aber immerhin auf richtigen Matratzen und unter einer richtigen Bettdecke. Mir – als Ältestem der Truppe – hatte man aber freundlicher Weise ein richtiges Bett reserviert. Das war wirklich nett gemeint und ich war etwas beleidigt.
Am nächsten Tag begegnete ich so ziemlich als erstem Karl Sewastianiuk. Er hatte am Tag zuvor mit einigen anderen unserer Leute das Tierheim besichtigt und auch gleich alles vorhandene Material dorthin gebracht. Er wirkte ziemlich deprimiert: Wir sollten in Zelten operieren - ohne Strom und fließendes Wasser.
Die Situation der Tiere im Tierheim war für uns schwer zu verkraften. Zwar wirkten die meisten Hunde recht gut genährt, aber die Zwinger sind völlig überfüllt und erinnern an ein ganz schlimmes Strafgefangenenlager, wo die Insassen dahinvegetieren. Ich wusste von Katja: Iroda hatte ihr zugesagt, dass für alles gesorgt sein würde, wenn die Aktion beginnt. Explizit Strom und Wasser waren angesprochen worden. So sah es momentan aber überhaupt nicht aus.
Von Katja hatte ich nur gehört, dass sie wohl versucht hatte, über einen weiteren Grenzübergang nach Taschkent zu kommen. Wusste aber nichts Genaues. Die Ärzte waren wegen der Bedingungen, unter denen die Kastrationen stattfinden sollten, sehr negativ eingestellt. So nahm ich dies zum Anlass, unserer Ansprechpartnerin der Brigitte Bardot Stiftung, die ja den größten Teil der Aktion finanziert, per E-Mail von unseren Problemen zu berichten. Ich betonte dabei, dass es wahrscheinlich sei, dass die Aktion hier in Taschkent nicht stattfinden könne (Grenzprobleme und Situation im Tierheim) und stellte gleichzeitig die Frage, ob die Stiftung damit einverstanden sei, wenn wir stattdessen in Taras weitere Tiere kastrieren würden. Ich erhielt die Antwort, dass das auf jeden Fall besser sei, als vorzeitig wieder zurückzukommen.
Dann kam plötzlich Iroda zu uns ins Haus. Sie bat uns alle, mit ihr zum Tierheim zu kommen und hatte es recht eilig. Ein Bus stand bereit.
Am Eingang des Tierheims erwartete uns eine große Menschenschaar. Vertreter der Medien, zahlreiche Politiker und eine große Zahl auffallend gut gekleideter Respektspersonen hatten sich zusammengefunden und warteten. Iroda hatte sie alle eingeladen, um auf die Aktion aufmerksam zu machen. Sie postierte sich vor unserem Plakat und hielt ihre Eröffnungsrede. Anstelle von Katja, die noch immer nicht eingetroffen war, sprach Anastasia, die Vorsitzende des Vereins 4 Pfoten Plus aus Semei. Anschließend nahm unsere Tierärztin Julia aus Sankt Petersburg das Wort. Auch wenn ich den Inhalt der Reden nicht verstehen konnte, sah ich die Zustimmung der Anwesenden. Zum Schluss hielt Herr ….. , Funktion …. eine sehr lange Rede.
Nach dem offiziellen Teil konnte es mit der Aktion also losgehen. Inzwischen lief ein Stromgenerator und in den Zelten standen viele Kanister mit frischem Wasser. Die Ärzte entschieden, mit der Aktion doch zu beginnen.
Die Hunde wurden uns von Helfern aus dem Tierheim gebracht. Es waren allesamt freundliche Jungen und junge Männer, die diese Aktion als willkommene Abwechslung sahen. Ich war der Meinung, dass sich unsere russischen Freunde mit ihnen unterhalten konnten. Aber nein. Ich hatte nicht nachgedacht. In Usbekistan ist die amtliche Sprache seit vielen Jahren usbekisch und nicht russisch. Wer ihnen die Anweisung gegeben hatte, welcher Hund uns wann gebracht werden sollte, erfuhren wir, als sich uns die offizielle Leiterin des Tierheims vorstellte.

Unsere drei Zelte befanden sich vor dem Eingang des Tierheims. Im ersten begann die übliche Prozedur: wiegen, das Gewicht unter einer lfd. Nummer mit einem Namen des Tieres in eine Liste eintragen, am Lauf des Hundes ein Bändchen mit diesen Daten befestigen (damit er die ihm angemessene Dosis an Medikamenten erhält). Nach der Narkose werden die Hunde auf einem Tisch für die Operation vorbereitet, also rasiert und narkotisiert. Danach tragen Helfer sie in das nächste Zelt zur OP.
Im nächsten Zelt waren acht Operationstische aufgestellt, sodass acht Ärzte gleichzeitig operieren konnten. Die Zeltbahnen aus relativ hellem Tuch ließen angenehmes Licht in die Zelte strömen, zumindest an den ersten Tagen bei wolkenlosem Wetter mit strahlendem Sonnenschein. Die über den OP-Tischen angebrachten Lampen wurden durch den Generator mit Strom versorgt. An einem weiteren Tisch im dem Zelt wurden die OP-Bestecke gereinigt.
Das dritte Zelt diente als Aufwachbereich. Hier roch es am angenehmsten, denn es war mit frischem Stroh ausgelegt. In diesem Zelt taten hauptsächlich Nastya aus Semei (wie bereits auch schon in Taras), sowie Aljona aus Krasnokarskoe ihren Dienst und kümmerten sich sorgsam um ihre Patienten. Schließlich gab es den einen oder anderen Fall, der etwas intensiver in der Auswachphase betreut werden musste.
Während die Helfer die Hunde an einer Leine zur OP führten, so fuhren sie die „Patienten“, die noch nicht wieder richtig wach, aber durchaus „transportfähig“ waren, mit einer gut gepolsterten Schubkarre zurück ins Tierheim in einen dafür vorgesehenen Raum. So hatten sie alle frisch operierten Hunde zunächst im Blick. Ansonsten hätten sie auf dem großen Areal mit den vielen Zwingern den Überblick verloren. (Wie auf den Fotos zu sehen ist, leben in nahezu allen Zwingern gut und gern 10 bis 20 Hunde, auf den eingezäunten Freiflächen noch weitaus mehr.)
Wie von der Wettervorhersage prognostiziert, regnete es am letzten Tag vormittags. Wir hatten beschlossen, in dem Fall nicht zu kastrieren, weil die Hunde dann viel zu schmutzig auf den OP-Tisch kämen. Zum Glück war der Regen bald vorbei und die Sonne kam wieder durch. So konnten wir dann zwar mit Verspätung, aber doch noch einige Tiere kastrieren. Leider fiel an dem Tag zum zweiten Mal am Spätnachmittag der Stromgenerator aus.  An das passierte, war es bereits dunkel. So blieb uns nichts weiter übrig, als mit den Lampen unserer Smartphones zu versuchen, den Ärzten genug Licht zu geben. Die begonnenen Operationen mussten ja schließlich sauber zu Ende gebracht werden.

So verlief auch die Aktion im Tierheim Hayot bei Taschkent letztendlich – trotz aller anfänglichen Bedenken – recht gut und reibungslos. Probleme traten auf, wo wir sie am wenigsten erwartet hätten:
Da wir Einiges an Material nicht über die Grenze bringen konnten, bot Iroda, die Betreiberin des Tierheims, an, Materialien „vor Ort“ zu kaufen. Wir waren erstaunt. Denn wenn es tatsächlich so einfach wäre, hätten wir das Material nicht so weit transportieren müssen, sondern möglichst viel an Ort und Stelle gekauft. Aber genau das hatte sich im Rahmen unserer Planungen als unmöglich oder sehr schwierig herausgestellt. Nun waren wir überrascht, dass uns leichte Vorhaltungen gemacht wurden, weshalb wir überhaupt versucht hatten, die Materialein über die Grenze zu bringen, statt sie vor Ort zu kaufen.
Aber Iroda hatte sich geirrt. Es stellte sich für sie als weitaus schwieriger da, als behauptet. Wir bekamen von ihr – wenn überhaupt – nur kleine Mengen, die für die Aktion nicht reichen würden. Als sie uns mit unheimlich günstigen Preisen für Nahtmaterial konfrontierte, waren wir zunächst sprachlos, da wir sehr viel Geld hätten sparen können! Aber die Aufregung über unseren angeblich zu teuren Einkauf drehte sich sehr schnell in die entgegengesetzte Richtung: Das Nahtmaterial erwies sich als völlig untauglich. Auf den ersten Blick sah es zwar so aus, als wäre es das gleiche Material, das wir verwenden. Aber die Fäden waren absolut nicht belastbar und zerfielen! Es war nicht nur zweite Wahl, sondern es war absolut unbrauchbar!! Unsere Tierärztin Jule sah sich daraufhin die Verpackung genau an. Es war ganz offensichtlich eine Art völlig untaugliche „Raubkopie“. Auf der Verpackung waren Namen und Hersteller sowie weitere Angaben identisch. Jedoch war der Aufdruck auf der Umverpackung etwas anders.
Uns blieb nichts weiter übrig, als das Risiko einzugehen und vieles des im Fahrzeug in Kasachstan verbliebenen Materials nach und nach „zu Fuß“ im „kleinen Gepäck“ über die Grenze zu holen. Ansonsten wäre es uns nicht möglich gewesen, diese Menge an Tieren zu kastrieren.

Durch die diversen unvorhergesehenen Probleme kam es zwischen Iroda und uns zu  diversen Diskussionen. Bezüglich ihrer Beweggründe bleiben bis heute Zweifel daran, welche Rolle sie tatsächlich im Tierheim spielt, bzw. was sie wirklich antreibt. Es steht außer Frage, dass der ganze Platz völlig überfüllt ist und der Aufenthalt für viele der Tiere dort in unseren Augen eine Qual ist. Es sind wohl ca. 6.000 Hunde dort.

Nahezu alle Hunde sehen wohl genährt aus. Es gibt eine „Küche“ mit Feuerstellen und großen Töpfen, in denen für die Tiere gekocht wird. Als ich mir die Küche ansah, kam ich an einem Bernhardiner vorbei, der mehr tot als lebendig wirkte. Er schien nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen, wie er da so vor seiner Hütte angekettet lag. Etwas später war Iroda dann auch im Heim und deutete mir an, sie zu begleiten (wir konnten uns wegen der Sprachprobleme nicht miteinander verständigen). Sie hatte spezielles Futter für den Bernhardiner mitgebracht. Feuchtfutter aus ihrer eigenen Produktion. Das vermischte sie dann noch mit Eiern und stellte es dem Bernhardiner an die Hütte. Leider war der zu kraftlos, um das Futter auch nur anzurühren.
Gelegentlich gab es die Möglichkeit, mit Vertretern des Tierheims zu sprechen. Eine von ihnen ist Lehrerin und kümmert sich intensiv auch um Kinder mit Lernproblemen. Sie klärte uns dahingehend auf, dass Iroda keine andere Wahl hat, als alle Hunde anzunehmen, die ihr die Stadtverwaltung bringt. Offiziell heißt es, man habe das große Grundstück zur Verfügung gestellt und als Gegenleistung seien alle Tiere, die angeliefert werden, aufzunehmen. Wie die Anlieferung passiert, konnten wir beobachten. Für uns bot sich uns dabei ein furchtbares, aber wahrscheinlich typisches Bild. Mittels Schlinge um den Hals wurden die schreienden und sich wehrenden Tiere aus dem auf einem Auto befindlichen Käfig gezerrt und in die Zwinger verfrachtet.
Tja, die Arbeiter verrichten lediglich ihren Job. Sie könnten genauso gut Bausteine oder Giftmüll transportieren. Sie haben kein Gespür für die Tiere, keine Empathie. Es interessiert sie nicht, wie es den Tieren geht. So gesehen befindet sich Iroda in einer Zwangslage und man kann ihr nicht vorwerfen, dass das Tierheim dermaßen überfüllt ist. Sie befindet sich in einer Zwangslage.
Allerdings gilt Iroda auch als erfolgreiche, willensstarke Geschäftsfrau. Wir haben durchaus gespürt (und gesehen), wie sie es versteht, mit Medien umzugehen und sich ins rechte Licht zu rücken. In einem Zeitungsartikel wird geschrieben, dass in ihrem Heim für die Tiere die Sonne scheint. Das sehe ich völlig anders! Vielmehr verbrennt die Sonne dort den Tieren den Verstand, bis sie aufgeben und sich ihrem Schicksal ergeben. Ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen: es gibt durchaus viele Hütten in dem Heim. Aber ob es wirklich genug sind, konnte ich nicht erkennen. Es sah nicht so aus. Mehr noch als alles andere ist die Problematik wohl eher die Menge der Tiere auf engem Raum.
In ihrem Büro in der Stadt hat uns Iroda uns zwei große Holzkisten mit sortierten Impfpässen gezeigt. Außerdem auch Karteiblätter vieler Hunde. Sie behauptet, alle Tiere mit Namen zu kennen. Auch die der Hunde, die wir kastriert haben, weil genau das auch für jedes Tier dokumentiert wird.
Und trotzdem: es bleiben Zweifel. Das Ganze könnte auch eine große Show sein. Eine unserer Tierärztinnen hatte entdeckt, dass einige der Hunde zu Kannibalismus neigen (einer erbrach unter Einwirkung der Narkose einen Hundeschwanz). Ich selbst habe einen kleinen Hund gesehen, der sich wiederholt in dem Maschendraht seines Käfigs verbiss und mit den Pfoten dagegen drückte. Seine Pfoten waren bereits völlig blutig und auch an seiner Nase hatte er eine aufgerissene Stelle. Die Pfoten werden sich in dem Schmutz entzünden, er wird sich sein Gebiss und das Zahnfleisch kaputt machen, sodass er irgendwann auch nicht mehr fressen kann. Er wirkte völlig verzweifelt. Ich habe es fotografiert. Aber am nächsten Tag habe ich ihn in dem Zwinger nicht mehr gesehen. Schlechte PR, oder hatte man wirklich Mitleid mit ihm?
Bei den vielen Tieren und dem verhältnismäßig wenigen Personal wird vieles einfach zwangsläufig übersehen. Ein kleiner Hund hatte versucht, aus dem Zwinger auszubrechen und ein Loch im Draht genutzt. Leider hing er fest und konnte auch nicht mehr zurück. Als er nach Stunden dort noch genauso hing, informierte ich einen Helfer, der ihn befreite. Am nächsten Tag hing er wieder genauso da. Ein anderer Hund hatte sich zwischen zwei, sich überlappenden Maschendrähten eingeklemmt. Auch das fiel erst auf, wenn man genauer hinsah.
Iroda beabsichtigt, das Tierheim neu aufzubauen und hat uns den Plan dafür gezeigt. Wir hoffen, dass ihr das gelingt und es den Tieren dort besser geht.
Ach ja: sie wissen, dass es uns wichtig ist, bei unseren Aktionen nicht nur Tiere zu kastrieren, sondern den Tierschutzgedanken unter die Menschen zu bringen und möglichst auch interessierte Tierärzte und Studenten in moderne Kastrationstechniken einzuweisen. Denn in den meisten Ländern, die sich nicht oder kaum um Tierschutz kümmern, ist die Kastration kaum bekannt. Und wenn, dann nur bei landwirtschaftlichem „Nutzvieh“, wobei dort eher ältere Kastrationstechniken angewendet werden. Auch bei unserer Aktion trafen wir auf interessierte Tierärzte. Im Gegensatz zu früheren Aktionen waren die meisten von ihnen jedoch nicht bereit, beim Kastrieren aktiv mitzumachen, sondern sahen nur zu. Als Grund verwiesen sie auf ihre Religion, die es ihnen ihre Religion verbiete, trächtige Tiere zu kastrieren und so ungeborenes Leben zu töten.
Und so verhält es sich auch in dem Tierheim. Alle nicht kastrierten Hündinnen werden selbstverständlich mit jeder Läufigkeit trächtig. Man lässt die Jungen zur Welt kommen (hat dafür einen extra Zwinger), wo die meisten dann wohl – so muss ich nach meiner Einschätzung leider sagen – bereits im Welpenalter sterben, oder, wenn sie es doch überleben, ihr Leben lang unter diesen Umständen leben müssen.

Am besten schienen es die Hunde zu haben, die nicht direkt im Tierheim eingesperrt oder angekettet sind, sondern vor dessen Toren leben. Zahlreiche Streuner bevölkernten die Gegend, weil sie dort vermutlich an Futter kommen. Viele von ihnen waren recht zutraulich und genossen es, von uns ein paar Streicheleinheiten zu erhalten. Neugierig und furchtlos suchten sie in den Zelten nach einem weichen Plätzchen. Nachts wurden die Zelte immer wieder von einigen von ihnen besetzt - am liebsten Zelt Nr. 3: das Aufwachzelt mit dem Stroh. All diese Hunde sind freundlich, mache schüchtern und zurückhaltend. Aggressivität hat keiner dieser Hunde gezeigt. Wenn es solche darunter gibt, dann kommen sie sicher nicht in unsere Nähe.

Am Abend unseres letzten Arbeitstages (Generator ausgefallen – Licht mit Smartphones) haben wir alles zusammengepackt und mit in unsere Unterkunft genommen. Katja, Aljona, Tina, Pascha, Michael und Wilhelm wollten bereits am nächsten Tag zurück über die Grenze nach Kasachstan und weiter die Heimreise mit dem Crafter antreten. Alle anderen würden sich später im Laufe des Tages per Bahn oder Flugzeug auf den Heimweg machen. Die Fahrer, die uns die Tage hier in Usbekistan zur Verfügung standen, brachten uns zum Bahnhof, Flughafen, oder zur Grenze. Wir, die als erste gestartet sind, wurden noch von einigen unserer Gruppe über die Grenze begleitet. Wir hatten ja wieder viel Gepäck dabei. Insgesamt war es ein herzlicher Abschied. Mit den meisten von ihnen hatten wir nun gut 14 Tage wie in einer großen Wohngemeinschaft zusammengelebt.
Der Grenzübertritt – wieder zu Fuß – verlief diesmal bei beiden Grenzkontrollen völlig problemlos. Eine kurze Aufregung gab es noch: Wir hatten sehr viel Gepäck dabei und mussten entsprechend viel tragen. Katja verlor dabei unbemerkt ihren Reisepass, als sie ihre Taschen auf das Rollband vor dem Röntgengerät legte. Zum Glück bemerkte sie den Verlust und der Pass war schnell gefunden. Einmal Grenze ohne Probleme.
Für die Rückfahrt zu unserem Crafter hatten wir wieder Großraumtaxen bestellt, wie wir es bereits so häufig im Rahmen der Usbekistan-Aktion auf kasachischer Seite benutzt hatten. Beim Crafter angekommen, musste noch sortiert werden. Wir würden einiges Material in Kasachstan lassen. Anderes Material sollte auf jeden Fall mit uns zurück. Weil es dadurch wieder spät geworden war, beschlossen wir, uns erst am nächsten Tag auf die richtige Heimfahrt zu begeben. Der Taxifahrer empfahl uns ein sehr einfaches „Truckerhotel“ in verkehrstechnisch guter Lage, da unmittelbar an der Schnellstraße. Die Zimmer für eine Nacht waren schnell gemietet. Die sehr freundliche Mutter der beiden Taxifahrer lud uns dann auch noch zum Abendessen ein, bevor wir müde zu Bett gingen.
Von der langen Rückfahrt zu berichten würde hier sicher den Rahmen sprengen. Insgesamt ist der Bericht sehr lang geworden, wobei die eigentliche Aktion selbst in dem Bericht wohl den kleinsten Teil einnimmt. Ich hoffe aber, dass es für viele unserer Leser auch von Interesse ist, die gesamten Begleitumstände zu erfahren. Ansonsten ähnelt sich ja jede Aktion.

Auf jeden Fall lief die Heimreise durch Kasachstan, Russische Föderation, Lettland, Litauen, Kaliningrad-Gebiet und Polen zurück nach Deutschland problemlos. An den Grenzen gab es keine Probleme (bis auf eine lange Wartezeit auf russischer Seite von Russland nach Lettland). Da es hieß, dass Lettland und Litauen keine russischen Staatsbürger mehr einreisen lässt, haben wir Katja, Aljona und Pascha in der russischen Föderation nahe zur Grenze nach Belarussia abgesetzt, wo sie mit dem Zug durch Weissrussland problemlos in das Kaliningrad-Gebiet reisen konnten. Tina, Michael und Wilhelm haben von dort aus die Reise nach Krasnojarskoe im Kaliningrad-Gebiet allein fortgesetzt. Durch die lange Wartezeit an der Grenze nach Russland trafen dann alle mit nur 1 Stunde unterschied in Krasnojarskoe ein. Dort blieben Katja, Tina, Michael und Wilhelm noch 2 Tage, bis es dann endgültig nachhause ging.

Im Rahmen dieser Aktion haben wir in Summe 1.188 Tiere kastriert, wobei sich die Anzahl an Hunden und Katzen etwa in Waage hält. Und das jeweils in Kasachstan und Usbekistan.
Bei den Hunden handelte es sich fast ausschließlich um Hündinnen (in Usbekistan waren es nur Hündinnen), von denen die meisten trächtig waren. In Deutschland wird das kastrieren von trächtigen Hündinnen von vielen Tierschützern angeprangert. Wir stehen jedoch absolut dazu. Man muss bedenken, dass die dortigen Verhältnisse so völlig anders sind, als bei uns, wo die Welpen bis zu einem gewissen Alter wohl behütet, versorgt und ernährt im Tierheim aufwachsen können, bis sie dann in gute Hände vermittelt werden. Dort, wo wir tätig sind, werden die ungeborenen vor einem erbärmlichen Tot noch im Welpenalter oder vor dem elenden dahinvegetieren in einem Tierheim bewahrt.
Vor Ort war uns die Situation der Tiere dort in dem Tierheim schnell bewusst. Es war nicht zu übersehen, unter welchen Umständen sie leben müssen. Inzwischen sind wir ca. seit 3 Wochen wieder zurück in unserer Heimat. Aber die Tiere dort lassen uns keine Ruhe – insbesondere nachts – immer wieder in dem Tierheim in Taschkent. Ich habe arme Kreaturen gestreichelt, die das in dem Moment so sehr genossen haben. Sie kamen jeden der Tage wieder und suchten Streicheleinheiten. Ich habe mit jungendlichen Hunden an der Kette „rumgekaspert“, die mir im weggehen spielerisch mit ihren Vorderpfoten ein Bein gestellt haben, weil ich nicht weggehen sollte. Sie alle hatten in den Momenten vielleicht auch die Hoffnung, jemanden gefunden zu haben, der ihnen eine Zukunft bringt. Sie alle haben ein mehr oder weniger langes Leben vor sich. Aber sie haben keine wirkliche Zukunft."






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